Der Imkerverein Herzhorn und Umgegend von 1899


von Klaus Lange und Rolf Giesenberg

„Willst Du Gottes Wunder sehn, dann musst Du zu den Bienen gehn“, so lautet eine alte Imkerweisheit. Diesen Weg gingen am Ende des 19. Jahrhunderts viele Menschen in Herzhorn und Umgebung. Sie ließen sich dabei nicht von dem in der Krempermarsch geläufigen spöttischen Spruchbeeindrucken, der sagt: „Wer mit sien Geld witt keen Root, de leggt dat an in Imm und Schoop“.


Die Lösung der Imker jener Zeit hieß: „Imkerschulung“. Sie führte im Kreis Steinburg zur Gründung zahlreicher Imkervereine, zum Beispiel in Itzehoe, Wilster, Kellinghusen, Horst, Hohenaspe, Brokstedt, Hennstedt und Herzhorn. Das genaue Gründungsdatum des Herzhorner Imkervereins ist zurzeit nicht
bekannt. Aus dem vorliegenden Protokollbuch ist zu entnehmen, dass am 17.10.1999 das hundertjährige Stiftungsfest gefeiert wurde. Die Angaben im Heimatbuch des Kreises Steinburg im Band 1, Seite 148, deuten als Gründungszeitpunkte eher auf die Jahre 1898 oder 1897 hin.


Im Kreis Steinburg gab es nach einer Schätzung um 1920 etwa 540 Imker, von denen 377 in Vereinen organisiert waren. Die als Anlage beigefügte Übersicht aus dem oben zitierten Heimatbuch informiert über den Stand der Imkerei in jener Zeit.


Es gab damals rund 6300 Bienenvölker, von denen allein 1023 in Herzhorn standen und 823 im Ortsverein gemeldet waren. 10 Bienenzüchter im Kreis Steinburg bezeichneten sich als Berufsimker. Dazu zählte sicherlich auch der Imker in Herzhorn, der in der Statistik als Besitzer von über 100
Völkern angegeben wird. Heutige Imkerfreunde vermuten, dass es Johann Kleinworth vom Strohdeich war.


Die weit verbreitete Imkerei jener Zeit findet ihre Gründe sicherlich auch in den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges. Zucker und Brotaufstrich waren damals knapp, da bildete der Honig ein vortreffliches Nahrungsmittel. Mit der Gründung der Ortsvereine um die Jahrhundertwende kam es auch in der Imkerei zu Veränderungen hin zum Kasten- und Mobilbetrieb. Diese Bezeichnung
beschreibt die mobilen, beweglichen Waben gegenüber den festsitzenden Waben des Strohkorbes, der in unserer Region auch Lüneburger Stülper genannt wird. Dieser bildet noch heute das Sinnbild der Bienenzucht und gilt zugleich als Symbol des Sparsinnes unserer Sparkassen, wobei wir natürlich wissen, dass die Bienen ihren lebensnotwendigen Wintervorrat sammeln.


Die Berufsimker jener Zeit mussten sich neben der Imkerei auch mit der Herstellung und dem Vertrieb von Bienenhäusern, Kunstwaben und im weiteren Nebenerwerb mit Gartenbau und Kleinviehzucht beschäftigen, weil die Schwankungen in den Honigerträgen sehr groß sind. Die Honigmengen werden
stark durch das Wetter und die Bewirtschaftung der Kulturflächen beeinflusst. Der Durchschnittsertrag in jener Zeit wird für den Korb mit 12 – 15 Pfund und für den Kastenbetrieb mit 20 – 30 Pfund in der Saison angegeben. Die Imker klagten bereits damals über die negativen Auswirkungen des Landschaftswandels. Die Feldblumen und die Weißkleeflächen wichen dem Pflug, genau wie die Heideareale in Horst und in Breitenburg-Nordoe.

Um die fehlenden Trachten zu ersetzen, wanderten die Imker zur Blütezeit in andere Regionen. Die Herzhorner Imker sind bis in die Sechzigerjahre in die Lüneburger Heide gewandert. Zu einer Wandergruppe zählten August Mehrens und Hermann Knüppel aus Herzhorn, Heinrich Sievers aus Glückstadt, Johannes Roggenkamp vom Herrendeich, Wilhelm Semmelhaack und Bruno Roggenkamp
von Gehlensiel. In der unmittelbaren Nachkriegszeit benötigten die Imker für die Nachtfahrten mit dem Lastwagen des Mühlenbesitzers Haars aus Kollmar Sonderfahrerlaubnisse der britischen Besatzungsbehörden. Die der Herzhorner Wandergruppe zugewiesenen Trachtgebiete lagen in Langenbrügge in unmittelbarer Nähe der Demarkationslinie zwischen der DDR und der
Bundesrepublik.

Leider liegen für die Imkerzeit des Herzhorner Imkervereins für die ersten 50 Jahre seines Bestehens keine schriftlichen Aufzeichnungen vor. Das vorhandene Protokollbuch beginnt mit der Niederschrift der Jahreshauptversammlung vom 30.04.1950 im Vereinslokal bei Ernst Behrens in Herzhorn. Vorsitzender war damals Pastor Karl Lensch aus Borsfleth, der auch gleichzeitig das Protokollbuch
führte. Seine Aufzeichnungen sind ausführlich und enthalten auch die Namen der teilnehmenden Vereinsmitglieder.


 Die Versammlung wurde in froher Stimmung mit dem gemeinsam gesungenen Lied: „Auf, wohlan, ihr Imkerfreunde“ eröffnet.


Der bereits oben erwähnte Johann Kleinworth war im Jahr 1949 vom Landesvorsitzenden zum Imkermeister h.c. (honoris causa – ehrenhalber) ernannt worden, so berichtet Pastor Lensch. Die offenbar sangesfreudigen Imker würdigten ihren Kollegen mit dem Singen des Liedes: „Der alte Imker.“


Weiter ist nachzulesen, dass 4 Jahre nach dem Krieg die Imker erstmals wieder über ihren Honig selbst verfügen durften. Die Geburtstagsfeier zum 50. Geburtstag des Imkervereins fand am 09.10.1949 statt. Leider gibt es keine näheren Hinweise zum Festprogramm. Im weiteren Verlauf der
Versammlung gaben die erfahrenen Imker wichtige Hinweise für die Anfänger. Lensch protokolliert ein Pflichtenprogramm für Imker. Dazu zählen die Frühjahrsreizung mit Triebfutter, das Verlegen von Wachsstreifen als Bienenbrücken zwischen den Brut- und Honigräumen, das richtige Honigrühren, die Nutzung einer vorschriftsmäßigen Wanderkarte und die Kenntnis über die Steuererhebung für Imker. Erwähnenswert erscheint die Anregung eines Imkers, Honigspenden für die Gesellschaft Schiffbrüchiger oder für eine Amazonasexpedition zu diskutieren.


 Das Protokoll verzeichnet für 1950 71 Mitglieder, 778 Bienenvölker und 35 teilnehmende Mitglieder. Die Aufzeichnungen zur Mitgliederversammlung am 09.02.1952 berichten von dem plötzlichen Tod des Vereinsvorsitzenden Pastor Carl Lensch. August Mehrens aus Herzhorn würdigte den Verstorbenen mit schlichten, aber vom Herzen kommenden Worten, so schreibt der Protokollant Artur Rodeck. Mehrens lobt den umsichtigen Einsatz von Carl Lensch, der den Verein sicher durch die schweren Kriegs- und Nachkriegsjahre gesteuert hat. August Mehrens wurde in dieser Versammlung zum Nachfolger gewählt. Intensiv wurde damals über die Steuererstattung für Zucker und über Spritzschäden diskutiert.


 Im Jahre 1953 zählt der Verein noch 52 Mitglieder mit 471 Völkern, für 1954 liegt die Angabe von 424 Kasten- und 28 Korbvölkern vor. In dieser Zeit gibt es heftige Diskussionen über die Bedeutung der Bestäubungstätigkeit der Bienen. Die Mitgliederversammlung des Jahres 1957 legt nach längerer Debatte den Preis für Honig mit 2,70 DM ohne Glas fest. Der Kreisvorsitzende Lemster aus Kellinghusen berichtet 1964 von der Ansicht vieler Imker, dass die Beuten der Imkerei zu klein sind, um wirtschaftlich imkern zu können.


 In den Sechzigerjahren übernimmt zunächst Heinrich Kühl aus Herzhorn den Vorsitz, ihm folgt Heinrich Pinn. Beide bemühen sich in dieser Zeit gemeinsam mit den Vereinsmitgliedern um eine Weiterentwicklung der Bienenzucht. Es gibt jährliche Informationsfahrten, zum Beispiel zur Imkerei des Werner Schundau bei Süderbrarup oder nach Celle in das Niedersächsische Landesinstitut für Bienenforschung und bienenwirtschaftliche Betriebslehre.


Im Jahr 1979 betreute der Imkerverein Herzhorn noch 25 Mitglieder mit 269 Völkern. Nachfolger von Heinrich Pinn wurde im Jahre 1983 Paul Engelbrecht. In den Protokollen der folgenden Jahre kommt zum Ausdruck, dass die etablierten Veranstaltungen guten Zuspruch finden. Dazu zählt die Radtour zu den blühenden Rapsfeldern, die sich von einer Picknickfahrt zu einer fachkundigen Standschau mit wohlschmeckendem Mittagessen und herrlicher Kaffeetafel bei dem jeweiligen „Zielimker“ entwickelt hat. Diese Fahrten genießen inzwischen nicht nur die Imker, sondern auch die Imkerfrauen, die für eine wohltuende Atmosphäre im Vereinsleben sorgen.


Dazu trug auch die Feier zum 100. Geburtstag des Vereins bei, die in der Gastwirtschaft „Zur Linde“ in Herzhorn gefeiert wurde. In den letzten 10 Jahren konnte der Verein erfreulicherweise neue Mitglieder aus Gehlensiel, Krempe, Glückstadt und weiteren Orten aufnehmen. Die Imker beschäftigen sich nach wie vor mit der Betriebsweise, d.h. mit der Führung eines Bienenvolkes durch
das Jahr. Dazu zählen zurzeit insbesondere das Starkmachen eines Volkes für die immer früher einsetzende Rapstracht, das Vermeiden des Schwärmens, da dadurch viele Flugbienen für das Eintragen der Trachten fehlen. Besonders aufwendig kann auch die Bekämpfung der Varroamilbe werden. Sie ist ein aus Indien eingeschleppter Parasit der Honigbienen. Auch die Zucht einer besonders sanftmütigen und ertragreichen Biene ist ein Thema.Vorbildlich ist die Unterstützung durch die Fachberater der Imkerschule in Bad Segeberg.


Einen schweren Verlust musste der Verein im Jahre 2007 durch den Tod des Vorsitzenden Paul Engelbrecht hinnehmen, der seine Tätigkeit als Vorsitzender 24 Jahre lang mit Umsicht und großen Einsatz ausgeübt hat. Vieles war neu zu ordnen. Hinzu kam eine tückische Bienenkrankheit, die dazu führte, dass der Raum um Glückstadt zum Sperrgebiet für den Bienentransport erklärt wurde. Bei der Bewältigung dieses Problems haben sich besonders Otto Carstens vom Altendeich und Lutz Herrmann aus Krempe hervorgetan. Lutz Herrmann wurde neuer Vorsitzender. Im Jahre 2009 förderte u. a. ein Ausflug nach Puan Klent die Verbundenheit unter den Herzhorner Imkern. Dort haben die Züchter der Carnica-Biene eine Belegstation.